Kurz nach meiner Geburt zogen die Großeltern mütterlicherseits, Oma Lina und Opa Yura, aber auch ihr Sohn Sascha, mein Onkel, nach Russland und bauten dort im kleinen Dorf Kharkovskiy ein Haus. Meine Eltern und Großeltern väterlicherseits blieben mit mir in Usbekistan. Meine Eltern und ich lebten in einem eigenen Haus. Direkt gegenüber lebten meine Großeltern – Gogi und meine Lieblingsoma Galja, die uns mit dem allerleckersten russischen und usbekischen Essen bekochte – mit Pelméni, Mantí, Plov und insbesondere mit den nach ihrem Geheimrezept angefertigten Samsá. Selbst ein gewöhnliches Spiegelei schmeckte bei Galja wie ein Festessen.
Aber Galja war nicht nur eine gute Köchin, sondern auch eine lebensfrohe Großmutter. Sie alberte gern mit mir herum und lachte bei jeder Gelegenheit. Sie hatte auf der einen Hälfte des Gesichts ein Feuermal, kurze blonde Locken und ein Lachen, das so laut war, dass alle um sie herum taub wurden.
Mein Großvater Gogi war ein Opa mit einem dicken Bauch, den er vor allem dem leidenschaftlichen Bierkonsum verdankte. Als ich kleiner war, konnte ich seinen richtigen Namen, Georgi, nie richtig aussprechen, weshalb ich ihn kurzerhand Gogi taufte. Von nun an, nannten ihn alle Gogi – sogar die Nachbarn.
Wenn ich von meinen Eltern Ärger bekam, weil ich zum Beispiel mit dreckigen Schuhen im Haus herumlief, dann haute ich schnell ins Nachbarhaus ab, um dem Gebrüll meiner Mutter oder Dimas Ohrenlangziehen zu entkommen. Sobald ich durch die Haustür meiner Großeltern trat, empfingen mich verschiedenste Essensgerüche, gemischt mit dem leicht wahrnehmbaren Geruch der Zigaretten, die Gogi in der Küche rauchte. Videoaufnahmen von mir mit meiner Familie - in unserem Haus. Der Kameramann ist der Nachbar von uns. Tanzen mochte ich wohl sehr gern. Ich bin drei Jahre alt. (23. September 1995).
Kurz vor dem Silvester 1995 wurde ich wieder auf einer Videokassette festgehalten: Aufnahmen vor dem Neujahr bei uns zu Hause. (24. Dezember 1995).
Im Kindergarten - typisch für Usbekistan - wird zum Neujahr ein Schauspiel mit den Kindern veranstaltet. Am Ende bekommen die Kindergartenkinder von Ded Moros (Weihnachtsmann) und Snegurotschka Geschenke. Ich war ein Häschen bei diesem Schauspiel. Na, findest du mich? Neujahrsveranstaltung im Kindergarten. Dima ist der Kameramann. (28. Dezember 1995).
Bei Galja und Gogi habe ich mit Dima und Mama das Silvester 1995 gefeiert. Dazu wurde ein Weihnachtsmann und ein Akkordeon-Spieler eingeladen. Ich hatte wohl nicht wirklich Lust irgendwelche Gedichte aufzusagen, um Geschenke zu bekommen: Bei Galja und Gogi zu Hause am Silvester. Der Weihnachtsmann ist zu Besuch. Der Kameramann ist der Nachbar von uns. (31. Dezember 1995).