Survival-Tricks.

21. April 2024.

Um 7:30 Uhr bin ich aufgewacht. Ich habe im neuen Schlafsack auf dem Bett geschlafen. Es wurde mir nicht kalt, im Gegenteil. Ich war nur in einer Unterhose und einem T-Shirt im Schlafsack, der auf dem Bett lag. Mit der Zeit wurde es sehr heiß darin, sodass ich ihn aufmachen musste, um ihn lediglich als Decke zu benutzen.

Ich habe gut geschlafen, auch wenn ich mich morgens nicht so gut gefühlt habe, weil es eine krasse Umgewöhnung ist, ohne eine richtige Decke zu schlafen. Es hat mich ein bisschen an den Zelturlaub auf Spiekeroog erinnert, nur ohne das Rascheln des Zeltes und des Schlafsacks. Dieser Schlafsack raschelt nämlich fast gar nicht. Das finde ich sehr gut.

Ich werde diesen Schlafsack auf jeden Fall behalten und meine dicke Bettdecke bei Mama lassen. Nun ist mein mobiler Schlafplatz auch für das Draußenschlafen gewappnet – auch bei Wind und Regen. Jetzt geht es darum, sich an das neue Schlafgemach zu gewöhnen und es lieben zu lernen.

Beim Frühstück auf dem Balkon gab es zwar Wolken am Himmel, aber die Sonne kam gerade zwischen den Wolken hervor, und es fühlte sich schön warm an. Ich habe auf die vielen Gänseblümchen vor dem Balkon geschaut. Sie waren um die Uhrzeit noch halb zu. Ein breites Grinsen hat sich auf meinem Gesicht entfaltet, als ich gesehen habe, wie sie alle nach Südosten, in Richtung der Sonne schauten. Ich brauche keinen Kompass, wenn ich Gänseblümchen sehe.

Nach dem Frühstück habe ich den Schlafsack wieder eingepackt und mir überlegt, wie ich ihn am Rucksack anbringen kann. Dank der Karabiner konnte ich ihn vielseitig anbringen: an der Seite des Rucksacks, hinten am Rucksack, unter dem Rucksack oder am Bauch. Ich liebe Karabiner, so eine geniale Erfindung! Dank ihnen brauche ich keinen neuen Rucksack zu kaufen. Meiner ist schon fast perfekt.

Ich habe mir auch überlegt, das Etui des Trimmers loszuwerden. Es braucht unnötig viel wertvollen Platz unten im Rucksack. Daher habe ich es in die Schublade des Fernsehschranks hier bei Mama gelassen. Jetzt passen unten im Rucksack ein paar Kleidungsstücke rein.

Mittlerweile kann ich meinen gesamten Besitz nicht nur irgendwie an meinem Körper mitnehmen, sondern ganz leicht transportieren. Was mir noch fehlt, ist die Fähigkeit, Feuer zu machen, Kochgeschirr und ein besseres Erste-Hilfe-Set.

Sobald diese Punkte erfüllt sind, ist mein Rucksack mit Schlafsack und Yoga-Matte nicht nur mein ganzer Besitz, sondern auch Survival-Ausrüstung, die die Checkliste eines Notfallrucksacks der Behörde für Bevölkerungsschutz erfüllt.

Um 10 Uhr stand im Kühlschrank eine Flasche Radler. Ich habe sie kurz angeschaut und überlegt, wie ich sie wohl öffnen könnte. Ich wollte schon immer eine Bierflasche ohne Flaschenöffner öffnen können. Heute habe ich endlich gelernt, wie man eine Bierflasche mit einer 90-Grad-Kante öffnet. Dazu habe ich den Rand des Kronkorkens auf die Kante gelegt und mit einem Schlag oben auf den Kronkorken ihn von der Bierflasche gelöst.

Was für ein Glücksgefühl!

Ich habe dann (leider) den Radler mit 2,5 % Alkoholgehalt getrunken und dabei auf dem Balkon diesen Tagebucheintrag geschrieben.

Um 12 Uhr war es mittlerweile komplett grau bewölkt. Die Sonne war nicht sichtbar. Die Gänseblümchen schauten immer noch in Südostrichtung. Perfekt. Ein Naturkompass, der auch ohne die Sichtbarkeit der Sonne funktioniert. Danke, ihr Lieben, habe ich den Gänseblümchen gesagt.

Um 14 Uhr ist mir eine Idee eingefallen, wie ich die Bankkarten verwenden könnte, außer zum alltäglichen Bezahlen und Türen öffnen. Wenn sie geschärft sind, kann man sie als Messer zum Schneiden benutzen. Ich habe sie wie Twisted Fate aus League of Legends durch die Gegend geworfen und mich gefragt: Sogar als Wurfmesser?

Und wie cool es wäre, Magic-Tricks zu können!

Um 15 Uhr habe ich gelernt, wie ich »SOS« in Morsezeichen mit Lichtsignal oder Pfeifton machen kann. Zuerst kommen drei kurze Lichtblinker (oder Pfeiftöne). Das ist der Buchstabe »S«. Danach kommen drei lange Lichtblinker (oder Pfeiftöne). Das ist der Buchstabe »O«. Und anschließend kommen wieder drei kurze Signale. Das ist wieder das »S«.

Ich sollte mal das gesamte Morse-Alphabet lernen, aber fürs Erste reicht erstmal das SOS. Das habe ich direkt mit meiner Taschenlampe geübt. Am Dienstag kommt auch mein Feuerstahl zum Entfachen des Feuers. In diesem ist auch eine Signalpfeife verbaut. Damit werde ich ein akustisches SOS-Signal machen können.

Um 16 Uhr habe ich einen weiteren Nutzen für meine Merinowolle-Kleidung gefunden, die ich auch als Handtuch zur Wasserbeschaffung nutzen kann. Ich kann mit der saugfähigen Kleidung den Tau von den Blättern abtupfen, das aufgesaugte Wasser in einen Behälter auswringen und es als Trinkwasser benutzen. Ich könnte auch diesen saugfähigen Stoff im Regen hängen lassen, ihn mit Regen vollsaugen lassen, auswringen und dieses Regenwasser trinken. Dieser Stoff kann auch dazu benutzt werden, um Salzwasser zu destillieren. Dazu in der metallischen Brotdose das Salzwasser erhitzen und die Brotdose mit dem Stoff verdecken. Das verdampfte, destillierte Wasser wird von dem Stoff aufgesaugt und kann dann (nach der Mineralisierung mit einem Stein oder Urin) getrunken werden.

Was ich dank der Survival-Szene gelernt habe und faszinierend finde, ist, dass ich Alltagsgegenstände plötzlich mit ganz anderen Augen sehe. Ein T-Shirt ist viel mehr als nur ein Kleidungsstück.

Um 18 Uhr hat die Berlinerin mich angerufen. Wir redeten zwei Stunden lang über unsere Woche, Kultfilme, Lieblingsgenres, Gruselfilme, Träume und wie Menschen denken. Wir verstehen uns ganz gut, würde ich sagen. Mit jedem weiteren Telefonat fühle ich mich wohler und habe weniger Drang, etwas sagen zu müssen, um bloß nicht zu schweigen. Morgen kommt die Berlinerin für ein paar Stunden zur Wohnungsbesichtigung nach Hannover, und wir sehen uns endlich. Ich bin gespannt, wie unsere dritte reale Begegnung verlaufen wird.

Um 20:48 Uhr habe ich den Zug nach Hannover genommen.

Scheiße.

Ich habe mein Handy vergessen.

Die Berlinerin sollte mich morgen anrufen, um mich zu kontaktieren, sobald sie fertig mit der Besichtigung ist...

Beim Hinuntersteigen der Treppe am Gleis hat sich meine totale Entspanntheit und Müdigkeit in ein Herzrasen verwandelt. Ich habe eine süße, kleine Maus gesehen, die in meine Richtung geschaut hat und mit einem dicken Rucksack auf ihren Schultern am Gleis vorbeigelaufen ist.

Ich bin dem brünetten Mädchen hinterher.

Als ich sie eingeholt habe und mich vorgestellt habe, habe ich tief in ihre braunen funkelnden Augen gesehen, während sie an einem Katjes-Bonbon herumkaute. Sie hat ihre Freundinnen in Hannover besucht und kommt eigentlich aus Bremen. Mein Herz hat sich wieder beruhigt, als sie gesagt hat, dass sie vergeben ist.

Wir haben uns mit einem Handschütteln verabschiedet (sie hatte so warme Hände, dass ich ihre Hand am liebsten gar nicht losgelassen hätte).

Zu Hause bin ich meinem Mitbewohner begegnet, der mit der gleichen Straßenbahn gerade nach Hause gekommen ist.

Ich habe meinen Schlafsack auf der Yoga-Matte ausgebreitet, das Fenster weit geöffnet und mich schlafen gelegt.

Es wurde schnell warm im Schlafsack, trotz der 5 Grad draußen und der kalten hineinströmenden Luft. Ich lag nur in Unterhose und T-Shirt darin.

Was ich nicht so gut finde, ist, dass ich mich nicht so flexibel auf die eine oder andere Seite im Schlafsack bewegen kann. Der Schlafsack ist schließlich recht schmal. Ich habe deswegen meinen Kopf aus dem Schlafsack herausgeholt und meine Mütze angezogen. Der Vorteil ist, dass ich die Mütze so auch außerhalb des Winters verwenden konnte, denn seitdem ich extremer Minimalist bin, mag ich es überhaupt nicht, wenn meine Besitztümer unbenutzt lange Zeit herumliegen.

Mitten in der Nacht bin ich leider aufgewacht, weil es etwas kalt wurde (aber nicht so kalt wie im anderen Schlafsack). Die schnelle Lösung war, das Fenster zu schließen.

Ein paar Minuten später wurde es wieder warm im Schlafsack. Ich habe festgestellt, dass die Kälte durch den nicht isolierten Reißverschluss kommt. Nach der Erwärmung konnte ich wieder einschlafen.


Learnings:

Upgrade: Ich habe das Etui des Trimmers wegminimalisiert.

Nächster Tag